Zitate - Brigitte Reimann über ihr Abitur

„[...] ich stand mitten im schriftlichen Abitur und musste immer zur nächsten Arbeit die Schummelzettel am Nachmittag vorher fertigmachen – und natürlich auch noch ein bisschen Vokabeln und Regeln lernen. [...]
Am ersten Tag schrieben wir eine russische Nacherzählung, einen Leitartikel aus der „Prawda“: „Die allesbesiegende Kraft der Idee Lenins und Stalins“. Nun, darüber ließ sich stundenlang spinnen, und ich rechne, bescheiden, wie ich bin, mit einer guten 3. Der nächste Tag war wenige erfreulich: er brachte Mathematik und einen phänomenalen Reinfall. Zum Glück war ich mit dem herrlich beruhigenden Gefühl zur Schule gegangen, unter allen Umständen die Arbeit zu verhauen, welche Ahnung denn auch prompt sich bewahrheitete. Ich hoffe aber, die 5 in Mathe wieder durch Deutsch, meine einzige Stärke, herausgeholt zu haben. Das deutsche Thema war politisch und schöngeistig und lag mir ganz gut. Englisch war leider auch mies – unser liebenswürdiger Pauker hatte einen derart schweren Text ausgewählt, dass jeder etwas anderes verstand, und wir uns nachher halbtot lachten über den so verschiedenartigen Blödsinn, den wir da geschrieben hatten. Heute machte den feierlichen Abschluß Latein, in dem ich sonst (dank meiner Phantasie beim Übersetzen, denn von Grammatik habe ich keine Ahnung!) immer die besten Arbeiten schreibe. Ich war 80 Minuten eher als die anderen fertig und brach damit meinen eigenen Rekord, den ich während des ganzen Abis im „Zuerstfertigwerden“ aufgestellt hatte.“ (12.5.1951; S. 108f.)

“Erst noch ein paar Worte über das Abitur. Trotz meiner 5 in Mathe stand ich in allen Fächern so gut, dass ich außer in dem für alle obligatorischen Pflichtfach Geschichte-Gegenwartskunde nur in meinem Wahlfach Deutsch reinkam, in dem ich brillant abschnitt. Ich hatte übrigens bei der ganzen Sache mehr Glück als Verstand und zog mich nur durch meine erstaunliche Beredsamkeit aus der Schlinge. In Geschichte hatte ich nämlich ein fürchterliches Thema, über das ich effektiv gar nichts wusste. Trotzdem – oder vielmehr: gerade deshalb – habe ich geredet wie aufgezogen – Gott weiß, was alles! – und mein Vortrag mit so vielen Frechheiten und Witzen garniert, dass die Prüfungskommission begeistert war und sich halbtot lachte. Ich wusste ganz genau, dass mich bloß eine göttliche Unverschämtheit retten konnte, und blitzte unseren Prüfungsvorsitzenden mit Blicken an, die ein Walroß aus der Ruhe gebracht hätten. Zum Glück brachte er wegen meines angeblich genialen Deutschaufsatzes bereits erhebliche Sympathien für mich mit und freute sich von Herzen über die „temperamentvolle Schauspielerin“, wie er mich nannte. Einer unserer Lehrer drückte die allgemeine Stimmung des Kollegiums in den klassischen Worten aus: „Gewusst hat das Luder nischt – aber gequasselt hat sie wie ein Buch. Und ein Auftreten hat sie – wie eine erfolgsgewöhnte Operettendiva!“ (Eine recht zweideutige Schmeichelei!)
Nun, und in Deutsch hatte ich natürlich keine Angst und legte einen Vortrag hin, für den mir sämtliche Lehrer nachher tiefgerührt die Hände drückten und versicherten, es wäre in Genuß gewesen und überhaupt – „Schmuck der Anstalt“ (wörtlich) und so weiter. Es war zum Pipen! Na, wenn sie mich in Sprachen oder Naturwissenschaften reingenommen hätten, wäre ich jämmerlich durchgerauscht.
In Mathe hat man gnädig sämtliche Hühneraugen zugekniffen und sich damit um ein herrliches Gaudi gebracht.
Am Abend der Urteilsverkündung (...) sind wir noch trinken gegangen und haben, völlig blau natürlich, mit den ebenso betrunkenen Lehrern in der HO feierlich Verbrüderung getrunken.“
(23.6.1951; S. 116f.)

Aus dem Briefwechsel mit Veralore Schwirtz: Aber wir schaffen es, verlaß Dich drauf!
Abschlusszeugnis

Geschwister Scholl – Oberschule  Burg bei Magdeburg

Elisabeth Gertrud Brigitte Reimann

hat die sprachliche Gruppe der Oberschule vom 2. September 1947 bis 9. Juli 1951 besucht und sich am 9. Juni 1951 der Abschlussprüfung für die Oberschule unterzogen.

I. Allgemeine Beurteilung

Brigitte Reimann ist für die deutschkundlichen Fächer und den schriftlichen Ausdruck darin Ausgezeichnet begabt. 
Für alle Gebiete zeigt sie reges Interesse und Lerneifer.
 
Deutsch: sehr gut
Geschichte: gut
Russisch (4 Jahre): genügend
Englisch (8 Jahre): genügend
Französisch:   /  
Griechisch:    / 
Latein (4 Jahre): gut
Gegenwartskunde: gut

II. Gesellschaftliche Tätigkeit

Beste Agitationsleiterin der Schulgruppe, Leiterin der Laienspielgruppe, Leiterin der Wandzeitung der FDJ. Mitglied des DSF, Kulturbund und Jugendvolksbühne.
  
Mathe: mangelhaft
Physik: genügend
Chemie: genügend
Biologie: genügend
Erdkunde: genügend
Musik: gut
Kunsterziehung: sehr gut
Leibesübungen: befreit