„Dichterort im Spannungsfeld von Kulturpolitik und Refugium: Das Arbeits- und Erholungsheim ‚Friedrich Wolf‘ des DDR-Schriftstellerverbandes in Petzow (1955-1990)“ – Ausstellung in Neubrandenburg

Was: Ausstellung Dichterort im Spannungsfeld von Kulturpolitik und Refugium: Das Arbeits- und Erholungsheim ‚Friedrich Wolf‘ des DDR-Schriftstellerverbandes in Petzow (1955-1990)
Wann: 28.06.16–11.07.2016, Di.–So. 10–17 Uhr, Matinee zur Ausstellung mit Dr. Maria Brosig und Simone Ahrend am 2. Juli 2016, 11.00 Uhr
Wo: Regionalmuseum Neubrandenburg, Franziskanerkloster, Stargarder Str. 2, 17033 Neubrandenburg
Kontakt: Tel. 0395 555-1270

Mit dem nahe Potsdam, in Petzow, Am Schwielowsee 87/93, angesiedelten „Arbeits- und Erholungsheim ‚Friedrich Wolf‘“, das der Schriftstellerverband der DDR von 1955-1990 für seine Autoren sowie für in- und ausländische Gäste betrieb, widmet sich das Ausstellungsprojekt einer langlebigen, aber wenig bekannten und nahezu unerforschten Einrichtung des kulturellen Lebens sowie des Literaturbetriebs in der DDR von überregionaler Bedeutung.

Gefragt wird erstens nach institutionellen, (kultur-)politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen des Ortes, die den Aufenthalt von DDR- und ausländischen Autoren vor allem der ersten und zweiten Generation bestimmten, und zweitens nach seinen Reflexen im autobiografischen und literarischen Werk der schreibenden Gäste (ca. 600 pro Jahr; darunter z.B. Arnold Zweig, Arnolt Bronnen, Johannes Bobrowski, Günter Grass, Günter de Bruyn, Fred und Maxie Wander, Brigitte Reimann, Siegfried Pitschmann, Sarah und Rainer Kirsch, Reiner Kunze, Gerhard Gundermann, Thomas Rosenlöcher u.v.m.)

Während die Geschichte eines vergleichbaren und vom Kulturministerium unterhaltenen Künstlerheims‚ „Bettina von Arnim““ in Wiepersdorf, gewinnbringend erschlossen wurde,* steht eine historische Aufarbeitung des speziell an die Berufsgruppe der Schriftsteller adressierten Arbeits- und Erholungsheims „Friedrich Wolf“ noch aus.

Mit diesem Desiderat verknüpft sind Fehl- und Vorurteile, die vor allem im Zusammenhang mit dem sogenannten deutsch-deutschen Literaturstreit von 1990 – dem Jahr der Liquidation des Schriftstellerverbandes und der Schließung des Heims – zu einseitigen und polarisierenden Urteilen führten. Gipfelnd im Vorwurf der „Privilegienwirtschaft“, bezogen sie sich vor allem auf die politische Rolle der DDR-Schriftsteller und ihres Verbandes. Während sich das Schriftstellerheim Petzow in der Erinnerung der Autoren nicht selten als Refugium bzw. „zweite Heimat“ (Siegfried Pitschmann, auch Fred Wander) behauptet, wurde es im Feuilleton als symbolischer Ort einer für ihre Willfährigkeit belohnten, „privilegierten Kaste“ wahrgenommen.**

Von den kontroversen Ortsbestimmungen ausgehend, sucht die Ausstellung ihrem Gegenstand gerecht zu werden, indem sie von seiner Bestimmung als „Arbeits- und Erholungsheim“ ausgeht, in der die Felder Arbeiten und Leben/Erholen miteinander verschränkt sind. Zur Darstellung gebracht werden sollen die daraus erwachsenden vielfältigen – und nicht selten widersprüchlichen – Dimensionen des Ortes: kulturpolitische, infrastrukturelle, beruflich-künstlerische und biografisch-private Spannungsfelder im Petzower „VEB-Elfenbeinturm“ (Brigitte Reimann 1963) ergeben sich aus den institutionellen Rahmenbedingungen auf der einen und den individuellen Funktionen des Ortes für die Autoren auf der anderen Seite:

Das Schriftstellerheim war ein Ort administrativer Führungstreffen von Literatur- und Kulturfunktionären, der literaturpraktischen Arbeit, der seminaristischen (kultur)politischen und literaturtheoretischen Unterweisung sowie der geheimdienstlichen Beobachtung; er war refugialer Schreib- und Lebensort, Raum des sowohl organisierten als auch privaten Kollegen-Austauschs über künstlerische, (kultur)politische und persönliche Fragen, der zur individuellen Standortbestimmung herausforderte.

Text: Maria Brosig

*) Friederike Frach: Schloss Wiepersdorf. Das „Künstlerheim“ unter dem Einfluss der Kulturpolitik in der DDR. Links-Verlag Berlin 2012)
**) vgl. Dieter E. Zimmer: Eine privilegierte Kaste? Ein Bericht zur sozialen Situation der Schriftsteller in der früheren DDR. In: Die Zeit, 7.12.1990
Volker Hage: Drei Tage im März. Was wird, weiß niemand. Außerordentlicher Schriftstellerkongress in Ost-Berlin. In: Die Zeit, 9.3.1990).

Bircken, Margrid / Hartinger, Christel / Schmidt, Marianne / Kretzschmar, Harald / Raue, Burkhard: Petzow – Villa der Worte. Das Schriftstellerheim in Erinnerungen und Gedichten. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg, erscheint 18. Januar 2016, 320 Seiten.